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Blog
Fenster mit Aussicht
30.03.2011
Hinter ihrem Fenster sitzt eine Rentnerin, die sich vor drei Tagen zum ersten Mal in ihrem Leben, zu einer unverständlichen Handlung hat hinreißen lassen - sie weiß nicht warum. Immer, über lange Jahre und Jahrzehnte hinweg war sie treu gewesen, war alle Wege mitgegangen und hatte alles und jedes mitgemacht, darauf vertraut, es werde schon gut werden.
Sie hat sich sicher geführt gefühlt und mochte nie große Worte darüber machen, warum sie so empfand.
Und dann...
Und dann stand sie Sonntags in dieser Box. Umgeben von Stellkartonwänden schaute sie auf dieses gelbe Papier-Viereck, an der linken oberen Ecke leicht geknickt und merkte, wie ihre Hand auf einmal zu zittern begann.
Und wie von selbst bewegte sich der Stift über die erste Zeile hinweg, ignorierte die Zweite und setzte sich in den dritten Kreis.
Franz! Franz war ein guter Name, bodenständig und vertraut klingend. Ihr älterer Bruder, den Adenauer damals aus der russischen Gefangenschaft heimgeholt hat, hieß Franz. Aber Adenauer war lange schon tot. Auch Franz liegt vorn an der Ecke Zwischen Zazenhäuser- und Zabergäustraße. Aber Franz hatte sie in den Arm geschlossen, als sie ihn damals im Hauptbahnhof vom Zug abgeholt hatte.
Franz war ein guter Name und wie von selbst begann der Stift ein Kreuz zu formen.
Als gegen 22.00 Uhr das vorläufige amtliche Endergebnis verkündet wurde, lag sie bereits im Bett und schlief.
Wir sehen uns, bis Mittwoch.
